Kindereinstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz- Kinder-EinstV
(BGBl.II Nr.236/2016)
Die bisherige Einstufung des Pflegebedarfes von Kindern und Jugendlichen war nicht zufriedenstellend und führte immer wieder zu inakzeptablen sozialen Härten. Mit 1.9.2016 ist die Kindereinstufungsverordnung in Kraft getreten, die die speziellen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen beim Unterstützungs- und Betreuungsbedarf berücksichtigt.
Die Verordnung ist bei Anträgen auf Zuerkennung oder auf Erhöhung von Pflegegeld, die ab dem 1. September 2016 gestellt werden, anzuwenden.
Die Verordnung ist für die Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr anzuwenden.
Bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen ist ein Vergleich mit gleichaltrigen nicht behinderten Kindern oder Jugendlichen anzustellen und nur der pflegebedingte Mehraufwand heranzuziehen.
Als natürlicher Pflegebedarf wird bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr der natürliche, alters- und entwicklungsabhängige Pflegeaufwand für Betreuungs- und Hilfsverrichtungen, der auch bei gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen für diese Betreuungs- und Hilfsverrichtungen besteht, bezeichnet. Dieser ist für die Beurteilung des Pflegebedarfs in Abzug zu bringen.
Der natürliche Pflegebedarf ist im § 1 Abs. 3 Kinder-EinstV als fixer Zeitwert pro Tag für bestimmte, taxativ aufgelistete Verrichtungen geregelt, und zwar:
1. An- und Auskleiden bis zum vollendeten 5. Lebensjahr
2 x 20 Minuten = 20 Stunden im Monat
2. Mobilitätshilfe im engeren Sinn bis zum vollendeten 18. Lebensmonat
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
3. Tägliche Körperpflege bis zum vollendeten 7. Lebensjahr
2 x 25 Minuten = 25 Stunden im Monat
4. a) Zubereitung von Mahlzeiten bis zum vollendeten 12. Lebensjahr
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
b) Zubereitung von Mahlzeiten ab dem vollendeten 12. Lebensjahr
40 Minuten = 20 Stunden im Monat
5. Einnehmen von Mahlzeiten bis zum vollendeten 3. Lebensjahr
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
6. Verrichtung der Notdurft bis zum vollendeten 4. Lebensjahr
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
Der natürliche Pflegebedarf für das An- und Auskleiden, die Mobilitätshilfe im engeren Sinn, die tägliche Körperpflege und für das Einnehmen von Mahlzeiten ist bei den in der Folge genannten Zeitwerten (§ 3 Kinder-EinstV) bereits in Abzug gebracht worden.
Pflegegeldrelevanter Betreuungsaufwand (§ 3 Kinder-EinstV)
Unter Betreuung sind alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die das pflegebedürftige Kind oder der pflegebedürftige Jugendliche der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.
- Richtwerte pro Tag (§ 3 Abs. 3)
Hier sind Richtwerte für einzelne Betreuungen angeführt. Die hier angeführten Verrichtungen können bereits vor Erreichen der Altersgrenze pflegegeldrelevant sein, und zwar dann, wenn behinderungs- oder krankheitsbedingt im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind bzw. Jugendlichen ein Mehraufwand besteht. Hierbei ist der natürliche Pflegebedarf außer Acht zu lassen, da dieser bereits in Abzug gebracht worden ist.
Bei den altersunabhängigen Zeitwerten ist kein natürlicher Pflegebedarf in Abzug zu bringen, da ein solcher nicht vorliegt.
1. a) An- und Auskleiden bei erschwerender Funktionseinschränkung bis zum vollendeten 5. Lebensjahr
2 x 10 Minuten = 10 Stunden im Monat
b) An- und Auskleiden bei erschwerender Funktionseinschränkung ab dem vollendeten 5. Lebensjahr
2 x 30 Minuten = 30 Stunden im Monat
c) An- und Auskleiden ab dem vollendeten 5. Lebensjahr
2 x 20 Minuten = 20 Stunden im Monat
d) An- und Auskleiden der oberen oder der unteren Körperhälfte ab dem vollendeten 5. Lebensjahr
2 x 10 Minuten = 10 Stunden im Monat
2. An- und Ausziehen orthopädischer Schuhe (altersunabhängig)
2 x 5 Minuten = 5 Stunden im Monat
3. Reinigung bei Inkontinenz ab dem vollendeten 4. Lebensjahr
40 Minuten = 20 Stunden im Monat
4. Reinigung nach Verrichtung der Notdurft ab dem vollendeten 4. Lebensjahr, wenn die Notdurft ansonsten selbstständig verrichtet werden kann
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
5. Pflegemaßnahmen bei nächtlichem Einnässen ab dem vollendeten 4. Lebensjahr
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
6. Einnehmen von Medikamenten (altersunabhängig) ( auch bei Sondenverabreichung)
6 Minuten = 3 Stunden im Monat
7. Subcutaninjektionen (altersunabhängig)
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
8. Einnehmen von Medikamenten mittels Trockenpulverinhalator oder Dosieraerosol (altersunabhängig)
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
9. Katheter-Pflege (altersunabhängig)
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
10. Stoma-Pflege (altersunabhängig)
15 Minuten = 7,5 Stunden im Monat
11. Kanülen- und Sondenpflege (altersunabhängig)
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
12. Mobilitätshilfe im engeren Sinn
a) Lagerungsmaßnahmen bei erschwerender Funktionseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensmonat
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
a) Keine gezielte Fortbewegung durch Krabbeln/Rutschen/Robben ab dem vollendeten 12. Lebensmonat bis zum vollendeten 18. Lebensmonat möglich
20 Minuten = 10 Stunden im Monat
b) Kein freies Gehen, aber gezielte Fortbewegung durch Krabbeln/Rutschen/Robben ab dem vollendeten 18. Lebensmonat möglich
30 Minuten = 15 Stunden im Monat
c) Kein freies Gehen und kein Krabbeln/Rutschen/Robben ab dem vollendeten 18. Lebensmonat möglich
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
d) Lagerungsmaßnahmen bei erschwerender Funktionseinschränkung ab dem vollendeten 18. Lebensmonat
2 Stunden = 60 Stunden im Monat
e) Unterstützung bei Bewegungsübergängen ab dem vollendeten 18. Lebensmonat bei selbstständiger Bewegung innerhalb des Wohnraumes
20 Minuten = 10 Stunden im Monat
f) Unterstützung bei der Bewältigung von Stufen innerhalb des Wohnraumes ab dem vollendeten 18. Lebensmonat
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
g) Handhabung von Prothesen und Orthesen (altersunabhängig)
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
13.
a) Sonstige Körperpflege bei erschwerender Funktionseinschränkung bis zum vollendeten 7. Lebensjahr
5 Minuten = 2,5 Stunden im Monat
b) Sonstige Körperpflege bei erschwerender Funktionseinschränkung ab dem vollendeten 7. Lebensjahr
20 Minuten = 10 Stunden im Monat
c) Sonstige Körperpflege ab dem vollendeten 7. Lebensjahr
10 Minuten = 5 Stunden im Monat
Notwendige Hilfestellung bei der Intimhygiene bei Menstruation (§ 3 Abs. 4)
3 Stunden im Monat (Richtwert)
- Richtwerte pro Verrichtung (§ 3 Abs. 5)
1. Feuchtinhalation (altersunabhängig)
10 Minuten pro Inhalation
2. Mikroklistieren (altersunabhängig)
10 Minuten pro Verabreichung
3. Einläufe und Darmspülungen (altersunabhängig)
20 Minuten pro Anwendung
4. Katheterisieren (altersunabhängig)
10 Minuten pro Anwendung
- Zeitliche Mindestwerte für nachstehende Verrichtungen (§ 3 Abs. 6)
Abweichungen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet. Bei einer erheblichen Unterschreitung sind diese Mindestwerte nicht mehr anzuwenden.
1. Tägliche Körperpflege bei erschwerender Funktionseinschränkung bis zum vollendeten 7. Lebensjahr
10 Minuten = 20 Stunden im Monat
b) Tägliche Körperpflege bei erschwerender Funktionseinschränkung ab dem vollendeten 7. Lebensjahr
2 x 35 Minuten = 35 Stunden im Monat
c) Tägliche Körperpflege ab dem vollendeten 7. Lebensjahr
2 x 25 Minuten = 25 Stunden im Monat
2. Mithilfe bei der Zubereitung von Mahlzeiten ab dem vollendeten 12. Lebensjahr
20 Minuten = 10 Stunden im Monat
3. Zubereitung von Spezialdiäten (altersunabhängig)
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
4. Einnehmen von Mahlzeiten bei erschwerender Funktionseinschränkung bis zum vollendeten 3. Lebensjahr (auch bei Sondenernährung)
30 Minuten = 15 Stunden im Monat
b) Einnehmen von Mahlzeiten bei erschwerender Funktionseinschränkung ab dem vollendeten 3. Lebensjahr (auch bei Sondenernährung)
90 Minuten = 45 Stunden im Monat
c) Einnehmen von Mahlzeiten ab dem vollendeten 3. Lebensjahr (auch bei Sondenernährung)
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
5. Verrichtung der Notdurft ab dem vollendeten 4. Lebensjahr
1 Stunde = 30 Stunden im Monat
Unter Hilfe sind aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind.
Hilfsverrichtungen sind:
1. die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens,
2. die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände,
3. die Pflege der Leib- und Bettwäsche,
4. die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial und
5. die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn.
Für jede Hilfsverrichtung kann ein Zeitwert von bis zu 50 Stunden monatlich angenommen werden, wobei im Sinne des § 4 Abs. 7 Z 3 BPGG der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit insgesamt 50 Stunden pro Monat berücksichtigt werden kann. Der natürliche Pflegeaufwand ist für jede Hilfsverrichtung -ausgenommen Mobilitätshilfe im weiteren Sinn- bis zum vollendeten 15. Lebensjahr ein fixer Zeitwert von 10 Stunden pro Monat. Der natürliche Pflegeaufwand für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn ist bis zum vollendeten 7. Lebensjahr ein fixer Zeitwert von 10 Stunden pro Monat.
Für die notwendige Hilfestellung bei der Handhabung von Hörgeräten (altersunabhängig)
20 Minuten pro Tag = 10 Stunden im Monat
- Beatmungs- und Absaugegeräte (§ 6)
Für die notwendige Hilfestellung bei der Handhabung (altersunabhängig). Richtwerte pro Verrichtung
1. Handhabung eines Beatmungsgerätes mit Kanüle
30 Minuten pro Verrichtung
2. Handhabung eines Beatmungsgerätes mit Maske
15 Minuten pro Verrichtung
3. Wechsel der Sauerstoffflasche
10 Minuten pro Verrichtung
4. Handhabung von Absaugegeräten
5 Minuten pro Verrichtung
- Abweichungen von den Richtwerte (§ 7 Kinder-EinstV)
Abweichungen von den angegebenen Richtwerten sind nur zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Pflegebedarf vom Richtwert um annähernd die Hälfte abweicht
- Erschwerniszuschlag § 8 Kinder-EinstV
Für schwerst behinderte Kinder und Jugendliche ist unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 und 4 BPGG zusätzlich ein Erschwerniszuschlag zu berücksichtigen Voraussetzung dafür ist das Vorliegen von zumindest zwei voneinander unabhängigen, schweren Funktionseinschränkungen (z.B. schwere Ausfälle im Sinnesbereich, schwere geistige Entwicklungsstörungen, schwere Verhaltensauffälligkeiten oder schwere körperliche Funktionseinschränkungen) (§ 4 Abs. 4 BPGG).
1. bis zum vollendeten 7. Lebensjahr
50 Stunden im Monat
2. ab dem vollendeten 7. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr
75 Stunden im Monat
- Medizinische und therapeutische Behandlung
Es ist nur der pflegebedingte Mehraufwand bei der Beurteilung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen. Der Aufwand für medizinische oder therapeutische Behandlungen und für psychosoziale Betreuung ist weiterhin nicht pflegegeldrelevant.
- Sachverständigengutachten (§ 10)
Die Grundlage der Entscheidung über die Zuerkennung und Neubemessung des Pflegegeldes bildet ein ärztliches Sachverständigengutachten, wobei grundsätzlich ein Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde beizuziehen ist, es sei denn, es befindet sich kein für die Begutachtung zur Verfügung stehender Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in örtlicher Nähe zum zu begutachtenden Kind oder Jugendlichen. Für die Neubemessung von Pflegegeld kann auch ein Gutachten eines Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, bevorzugt mit einer Ausbildung im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpflege, die Entscheidungsgrundlage bilden. Erforderlichenfalls sind zur ganzheitlichen Beurteilung der Pflegesituation Personen aus anderen Bereichen, beispielsweise der Heil- und Sonderpädagogik, der Sozialarbeit, der Psychologie sowie der Psychotherapie beizuziehen.
Wichtig!
Wir empfehlen, bei Anträgen auf Gewährung bzw. Erhöhung eines Pflegegeldes und im Klageverfahren eine Pflegedokumentation, d.h. eine Auflistung der konkret zu erbringenden Betreuungs- und Hilfsverrichtungen, insbesondere auch der notwendigen Begleitung der pflegebedürftigen Person bei erforderlichen Verrichtungen außer Haus (Begleitung zum Arzt oder zur Therapie, zur Schule und zu Freizeitaktivitäten) unter Angabe des jeweiligen zeitlichen Aufwandes (auch hinsichtlich der mit den Behandlungen und Therapien verbundenen Wartezeiten sowie der Behandlungs- und Therapiezeiten) beizubringen.